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Ein Interview über Help Liberia-Kpon Ma e.V. – von A bis Z

Das Interview wurde mit Hr. Thomas Böhner von Help Liberia geführt. Fotos von Help Liberia

Organisation: Help Liberia – Kpon Ma e.V. | Internet: www.help-liberia.com | Tel.-Nr.: 0049-8144-9966945 | E-Mail: postmaster@help-liberia.com


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Afrika ist ein Kontinent, der für immer vergrault oder für immer verzaubert. Wenn Letzteres, dann macht es süchtig, abhängig, du willst immer wieder hin, denn es ist sooo vielfältig, so unergründlich und faszinierend, daß ein Leben dafür nicht genug ist.

 

 

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Interview mit Frau Özlem Sarikaya vom BR (Puzzle) vom 27. Juli 2009

Wie kommt die Sendung an? Kann man aus den Rückmeldungen, steigenden Quoten usw. etwas erkennen?

Özlem Sarikaya vom BR – „Puzzle“

Die Sendung kommt sehr gut an und die Reaktionen, die wir bekommen, sind sehr schön. Viele migrantenstämmige Menschen, die mich ansprechen, sind fast schon dankbar. Ich sage dann: das freut mich, aber ihr müsst nicht dankbar sein. Denn unsere Sendung war längst überfällig, schließlich gibt es uns ja auch schon lange genug in diesem Land.

Die Menschen haben mit dieser Sendung Identifikationsfiguren und ihr Leben wird in einem anderen Licht gezeigt. Die Menschen werden mal nicht mit jenen Themen in Verbindung gebracht, die man sonst so Migranten und Ausländern in unserer Gesellschaft in den Medien zuschreibt. Die Menschen sind es leid, immer mit den gleichen Themen in Verbindung gebracht zu werden: Terror, Islamismus, Kopftuchstreit, Zwangsverheiratung. Das sind grausame Taten, die passieren, aber das ist nicht das Abbild unserer Gesellschaft, wie wir hier alle leben. Wir haben ein normales Leben und es gibt in jeder Gesellschaft Kriminelle und Hirnllose. Mit unserer Sendung freuen sich die Menschen mit Migrationshintergrund auch ein Stück ihrer Normalität, ihres Alltags abgebildet zu sehen.

Quotenmäßig kann man uns noch nicht so gut messen. Der Grund ist, dass wir keinen festen Sendeplatz haben. Die, die uns sehen, sehen uns zufällig, weil sie zufällig auf uns gestoßen sind.  Wir kommen einmal an einem Donnerstag im Monat um 23 Uhr. Aber, ob es der erste Donnerstag oder der zweite Donnerstag im Monat ist, das kann sich ändern. Zudem ist es schwer, Zuschauer zu mobilisieren, dass sie sich einen Termin merken und da gezielt einschalten. Wir erscheinen zu unterschiedlichen Terminen und sind daher nicht richtig messbar. Wir sind aber regelmäßig und das ist wichtig. Was uns sehr gefreut hat, ist der gute Zuspruch und die Unterstützung vom BR. Am Anfang haben viele nicht recht gewusst, was machen die da? Braucht es das jetzt auch noch? Brauchen wir jetzt Migrantenfernsehen? Und das, weil sie sich nicht vorstellen konnten, was wir machen. Aber wir machen kein Migranten-TV oder eine Programm, das sich an migrantische Einzelgruppen wendet. Wir sind kein Multikulti-TV.

Wir machen ein Programm, das sich sehen lassen kann, das qualitativ sehr hochwertig ist, das eigentlich die ganze Gesellschaft anspricht. Alle, die Lust auf eine schöne Sendung haben, können sich hiermit angesprochen fühlen. Das ist auch das Feedback, das ich bekomme. Es ist eine Bestätigung und das ist sehr schön.

Was waren die schönsten und aufregendsten Themen und Begegnungen?

Das ist eine schwierige Frage, denn wir machen die Sendung so leidenschaftlich, dass wir jeden einzelnen Beitrag lieben. Wir recherchieren, stellen die Themen zusammen und finden in jeder Sendung: Wahnsinn so ein Mensch, Wahnsinn so eine Biographie! Wir haben unsere Lieblingsfiguren, aber wir treffen bei unseren Recherchen immer wieder auf Menschen, die mindestens genau so interessant und faszinierend sind. Unglaublich – was der Mensch macht.

Kann man sagen, dass jeder Mensch, den man trifft, sozusagen ein Bergwerk voll Edelsteine von unschätzbarem Wert ist?

Ja, genau ! Das sind Menschen, von denen man wenig weiß, nicht Prominente, von denen man schon jede Geschichte kennt. Diese Menschen sind unscheinbar, sind kaum in der Presse. Wir können noch soviel über sie erfahren. Diese Menschen leben seit Jahren mitten unter uns. Menschen, die ihre Arbeit, ihre Kunst machen und ihre Persönlichkeit haben. Die aber noch nie so richtig herausgekommen sind. Und dann denkt man sich warum? Vielleicht waren sie nicht skandalös genug, oder hatten nicht die Chance, bekannt zu werden.

Haben Sie sich durch Puzzle verändert, wie wirkt die Arbeit und die Menschen auf Sie?

Ich glaube, ich habe mich durch Puzzle überhaupt nicht verändert. Das ist ein Thema, mit dem ich groß geworden bin. Diese Themen begleiten mich seit meiner Kindheit.  Die Themen: Interkulturalität, Migranten, Ausländer.  Ich musste mein Leben lang, seit ich denken kann, dazu Fragen beantworten. Sie waren damals schon ein wenig seltsam, Fragen, die man sich als Kind nicht erklären konnte. Aber man hat sie beantwortet. Fragen wie: Wenn Du groß bist, darfst Du Dir deinen Mann selbst aussuchen? Oder muss Dein Bruder auf dich aufpassen? Und dann habe ich jedes Mal brav geantwortet, denn die Menschen kennen uns nicht und diese Fragen interessieren sie einfach. Mein Bruder muss nicht auf mich aufpassen, denn er ist jünger, wenn überhaupt muss ich auf ihn auspassen. Und meinen Mann darf ich mir auch selbst aussuchen und es darf auch ein anderer als ein türkischer Mann sein.

Jedes Jahr haben sich die Fragen geändert, je mehr migrantische Menschen hier lebten und es den Austausch gab. Genauso die negativen Erlebnisse – die leider eher haften bleiben als das Schöne, das man gemeinsam erlebt hat. Die Fragen wurden immer merkwürdiger. Nach dem Ereignis 11. September hat man dann nur noch dumme Fragen bekommen. Wobei das auch keine Fragen mehr waren, sondern Vorwürfe. Man wurde kollektiv für verschiedenes verantwortlich gemacht. Fragen wie: Warum seid Ihr so? Warum verhaltet Ihr euch so? Warum ist Eure Religion so? Und so musste man sich immer rechtfertigen, sich selber, die Gesellschaft, aus der man kommt, und seine Religion. Das konnte und kann ich nicht, ich bin keine Soziologin, keine Islamwissenschaftlerin. Ich bin Journalistin und kann aus meiner beruflichen wie auch privaten Erfahrung erzählen. Und wenn man dann versucht zu erklären, dann hört man: Ja, Sie sind die Ausnahme. Und dann muss man erklären: Nein, ich bin keine Ausnahme, ich bin der Prototyp einer türkischstämmigen Frau, meine Eltern die Prototypen türkischer Gastarbeiter hier. Mir haben Sie die Chance gegeben, mich kennenzulernen und diese Chance sollten Sie auch den anderen geben. Menschen die vielleicht türkischer aussehen, weil sie Kopftuch tragen, oder den Rock über der Hose.

Ist multikulturelle Gesellschaft eine Bereicherung für uns alle?

Ja natürlich! Selbstverständlich, da muss man gar nicht nachdenken. Wir sind eine multiethnische, multireligiöse Gesellschaft. Etwas Schöneres kann man sich doch gar nicht wünschen! Jede Gesellschaft bringt Schätze mit sich, bringt unterschiedliche Temperamente mit sich und wir können viel voneinander lernen. Es gibt keine Kultur, die die Beste ist. Es gibt nicht das Beste, in keinerlei Hinsicht. Wir können von allen etwas herauspicken, was unser eigenes Leben bereichert und sei es nur, wie ich glücklicher werde. Da kann man vom einen mehr Freude oder Genuss am Leben lernen und vom anderen mehr Selbstdisziplin. Dem einen ist vielleicht das wichtig, dem anderen etwas anderes. Wir haben in einer multikulturellen Gesellschaft eine größere Palette, aus der man seinen Gewinn ziehen kann. Man wäre ja dumm, wenn man dieses nicht nutzen würde. Allein die vielfältige Küche bringt uns einen unglaublichen Reichtum.

Was sind Themen, die Sie gerne noch in die Sendung bringen möchten?

Wir sind sehr frei in der Auswahl unserer Themen und Gäste, wir haben bis jetzt alles gemacht, was uns interessiert hat, es gibt eigentlich nichts, was wir gerne gemacht hätten und nicht in die Sendung gebracht hätten. Wir versuchen positiv zu sein, aber es ist schwierig, das Positive darzustellen. Es gibt aber auch viele wichtige Themen, die nicht lustig und froh sind, die aber auch unsere Themen sind. Z.B. Illegalität in Deutschland, oder Rassismus in Deutschland. Wir möchten keine Problemsendung sein, jedoch Probleme nicht ausblenden. Diesen Spagat zu gehen ist unsere Herausforderung, wie auch pikante Themen anzupacken, ohne Menschen abzuschrecken.

Wie denken Sie über den Gedanken „Weltbürger“?

Das ist ein Gedanke, der nicht unbedingt für jeden ist: Es gibt Menschen, die fühlen sich wohl in ihren vier Wänden und wollen da auch nicht raus, weil sie sich da am glücklichsten fühlen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich selbst bin Weltbürger insofern, da ich mich überall wohlfühlen könnte. Jedoch besonders da, wo ich meine vertraute Umgebung, Freunde habe und die Familie natürlich. Wenn das bedeutet, Weltbürger zu sein, so bin ich das. Ich bin sehr gerne weg; ich möchte nicht das Touristische, sondern den Geruch einer Kultur und eines Lebens aufspüren können. Wenn man aus einem Flieger aussteigt, riecht jede Stadt anders und das ist ein tolles Gefühl. Aber in bin auch gerne zuhause. Nach drei Wochen habe ich schon Sehnsucht nach meinen vier Wänden und meiner Stadt München.

Was fehlt nach Ihrer Meinung zu einem toleranten, offenen Miteinander in München, Deutschland und weltweit?

Das Wichtigste, das fehlt, ist das Gespräch, die Kommunikation miteinander. Es sind Ängste und Vorurteile da und genau hier ist das Gespräch sehr wichtig. Wenn beide Seiten nicht verhärtet sind, wird man im Gespräch immer eine Mitte finden. Man wird sehen, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern auch noch etwas. Man muss nicht gut finden, was und wie der Andere es macht, aber man kann versuchen nachzuvollziehen, wie und warum er es macht.

Ein kleines Beispiel: Ich machte mit meinem Mann einen Urlaub in einem idyllischen kleinen österreichischen Ort, wo Fremde selten waren und es türkischstämmige Touristen schon gar nicht gab. Als wir in dem Gästehaus ankamen, hat man uns schon etwas komisch angeschaut. Und später saß man doch an einem Tisch und hat fröhlich miteinander gelacht und sehr viel Spaß gehabt. Hat sich ausgetauscht, hat sich Fragen gestellt und spätestens da kam dann die Aussage, wie vorher gesagt: Ja, sie sind ja ganz anders, sie sind ja echt nett. Sie finden uns nett, weil sie uns die Chance gegeben haben uns kennen zu lernen und ich wette mit ihnen, dass wenn sie anderen die Chance geben, sie diese auch nett finden. Man wird mit Sicherheit nicht mit jedem Freund, aber man muss sich die Chance geben sich kennenzulernen und dann kann man entscheiden. Das Gespräch ist das Wichtigste, aufeinander zugehen und sich mal beschnuppern.

Ist Religion auch ein Thema, über das man sich genauso austauschen sollte wie über Kulturen?

Bei Religion genauso wie bei der Kultur herrschen die meisten Vorurteile und wo Vorurteile herrschen, muss man sie aufbrechen. Da hilft auch wieder das Gespräch, man muss einander Fragen stellen, miteinander reden und dann wird man mitbekommen, dass wir mehr Gemeinsamkeiten haben als was uns trennt. Vielleicht sogar mehr, als manchen lieb ist. Wir sind eigentlich gar nicht so verschieden.

Meine muslimisch geprägten Eltern haben mich immer gelehrt, dass der Glaube nicht eine Frage des Ortes und des Raumes ist. Es ist doch egal, wo man glaubt, ob man in einer Kirche glaubt, oder in einer Moschee. Wer sagt, dass dies räumlich begrenzt ist? Wer sagt, dass ich hier beten muss und dort nicht beten darf? Ein islamischer geprägter Mensch kann in einer Kirche dieselbe Kraft spüren wie umgekehrt ein Christ in einer Moschee.

Ist Ihr Wunsch von der Dachterrassenwohnung in ruhiger, zentraler Südlage schon in Erfüllung gegangen?

Nicht ganz! Das steht ja in meinem Steckbrief auf unserer Internetseite. Das ist ein Wunsch von vielen. Da steckt aber noch etwas anderes dahinter. Nämlich dass ein Mensch mit meinem Namen im Grunde Wohnungsanzeigen gar nicht durchforschen braucht. Denn wenn Sie den Namen sagen, ist der Hörer fast aufgelegt – man spricht gerade noch aus Höflichkeit weiter. Bei manche Namen klingen bei Vermietern gleich die Alarmglocken: Oh Ausländer, darauf lass ich mich besser nicht ein. Man erlebt die verrücktesten Sachen, wenn man auf Wohnungssuche geht. Ich habe schon überlegt, bei derartigen Erstgesprächen meinen Namen zu verändern, um wenigstens am Telefon nicht sofort ein Nein zu bekommen. Man kann nicht ganz ohne Vorbehalt spontan den Hörer in die Hand nehmen und wählen. Das ist eine traurige Wahrheit – eine Erfahrung, die sehr viele migrantische Menschen machen müssen.

Was wünschen Sie sich von Ihren Puzzle-Zuschauern?

Frau Özlem Sarikaya mit Harald Hackländer

Frau Özlem Sarikaya mit Harald Hackländer

Ich wünsche mir, dass sie Spaß an unserer Sendung haben, dass sie vielleicht einen Aha-Effekt erleben und sagen, das wusste ich noch nicht. Dass sie aus unseren Terminhinweisen vielleicht eine Veranstaltung besuchen, damit die Begegnung dann auch weiter geht. Damit dieser Ausschnitt der Realität in unserer Sendung, eine echte, gelebte Realität wird. Das wäre schön. Vielleicht auch, dass Menschen sich gegenseitig Fragen stellen. Einfach einen Schritt mehr auf einander zugehen. Keiner muss sich schämen, woher er auch kommt; jeder hat einen Schatz, den er mit anderen teilen kann. Wie auch immer das geht, wir müssen dringend zu einem Wir-Gefühl in unserer Gesellschaft kommen – davon sind wir noch weit entfernt.

Vielen Dank, Frau Sarikaya, für das Interview!


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